väter aktiv

Geschlechterstereotypen in der Frühpädagogik

Bericht über die Weiterbildung Geschlechterstereotypen und Familienvielfalt für die Mitglieder des Netzwerks Kleinkinderziehung der Stadtgemeinde Meran 

Im Rahmen des 2. Aktionsplans zur Gleichstellung von Frauen und Männern der Stadt Meran 2020 – 2024 erhielt „väter aktiv“ den Auftrag einer Fortbildung im Netzwerk für Kleinkindbetreuung über die Geschlechterstereotype, Regenbogenfamilien und entsprechende pädagogische Praxis wie Auswahl von Spielzeug und Gestaltung der Räume. Dafür wurde eine sprachgruppenübergreifende Form, eine reflektive und praxisorientierte Herangehensweise sowie eine männliche resp. väterliche Perspektive gewählt. 

Am ersten Wochenende wurde aufbauend auf bisherige Erfahrungen und Weiterbildungen in Einzel- und Gruppenarbeit die Erfahrung mit Mädchen und Buben in der Einrichtung sowie das persönliche Erleben als Mann / Frau in einem pädagogischen Beruf erörtert (es gab auch zwei männliche Teilnehmer) und in einem Theorieinput die entwicklungspsycholgischen Erkenntnisse über das Beziehungsverhalten und die Wahrnehmung der Geschlechtsidentität in den ersten Lebensjahren (Tim Rohrmann) sowie die Bedeutung des Vaters für die kindliche Entwicklung vermittelt. In der Abschlussreflexion kamen u.a. die verstärkte Präsenz von Vätern im Kindergartenalltag, die Erfahrung mit dem eigenen Vater bzw. der aktuellen Vaterrolle, die lebenslange Auswirkung der Prägung in den ersten Lebensjahren zur Sprache.

Zu Beginn des zweiten Wochenendes wurden die Ergebnisse der Reflexion über Männer bzw. Väter ausgetauscht. Als wichtigster Beitrag der Väter für ihre Kinder wurde „für die Kinder da zu sein, Zeit mit ihnen zu verbringen“ bzw. „die Kinder zu ihren Freizeitaktivitäten begleiten“ genannt. Nachhaltige Erlebnisse waren das Interesse der Väter an der Entwicklung ihrer Kinder (z.B. ihre Portfolio Mappe lesen), Beteiligung am Elterngespräch, die Zunahme an Bring- und Abholsituationen mit Vätern, … Für die Zukunft werden Wünsche nach mehr Austausch genannt, sie sollen als gleichwertige Gesprächspartner einbezogen werden, sich aber auch stärker in die Erziehung einbringen. Kritisch gesehen werden männliches Machtgehabe, das Zurückziehen bei Schwierigkeiten, Abwertungen wenn Buben Gefühle wie Trauer oder Schwäche gezeigt werden. Gewünscht wird mehr Unterstützung der Frauen in der Familie und Haushalt. An den Männern / Vätern geschätzt wird ihre oft unkomplizierte, pragmatische Art, ihr Humor, ihre andere Sichtweise und die Unterstützung der Kinder. Auch wurde über Gespräche im Familienkreis zum Thema, zur veränderten Wahrnehmung von Väter und Müttern in der Praxis aber auch der Gesellschaft insgesamt, Erlebnisse mit dem Rollenverhalten von Buben und Mädchen gesprochen. Danach präsentierte Dr.in Francesca Schir von der Kinder- und Jugendanwaltschaft die gesetzlichen Rahmenbedingungen und wissenschaftliche Evidenz zu Regenbogenfamilien bzw. gleichgeschlechtlicher bzw. LGBTQI+ Elternschaft. Am nächsten Tag wurden in Gruppenarbeit die verschiedenen Begriffe schwul, lesbisch, bisexuell, transgender, intergeschlechtlich, queer, asexuell erläutert und sich über diesbezügliches Wissen, Erfahrungen und Umgang in der Arbeit bzw. im privaten Umfeld ausgetauscht. Gemeinsam wurden die Ebenen Geschlechtsidentität (männlich, weiblich, transgender, intergeschlechtlich, …), der sexuellen Orientierung (schwul, lesbisch, bisexuell, asexuell, …) und des Rollenverhaltens (männlich, weiblich, queer, …) herausgearbeitet und in Bezug zur Entwicklung von geschlechtlicher Identität und Rollenverhalten im Zuge der kindlichen Entwicklung im Rahmen der Erwartungen bzw. Reaktionen von Familie und Gesellschaft reflektiert. Zum Abschluss des zweiten Wochenendes wurden Projekte von väter aktiv mit Kindergärten und Kitas und die Erfahrungen der Väter und des Fachpersonals präsentiert.

Zu Beginn des dritten Wochenendes wurde über die wissenschaftlichen Erkenntnisse unterschiedlicher Praxis (z.B. altersgemischte Gruppen, gemischtgeschlechtliche Teams, Auswahl von Spielzeug bzw. pädagogischen Material usw.) in der Frühpädagogik und ihre Auswirkungen auf das Rollenverhalten und Konfliktaustragung berichtet. Die wirksamsten Maßnahmen sind 

• mehr Männer im Erzieherberuf und damit im Team z.B. durch einen „Boys Day in der Kita“

• die aktive Einbeziehung der Eltern in Reflexion und Interaktion, z.B. Reflexion der Sprache von Erwachsenen (Fachkräfte, aber auch Eltern) mit Kindern je nach Geschlecht

• die kontinuierliche Vertiefung der Genderproblematik z.B. durch Integration in Bildungspläne und Leitbilder

Danach wurden verschiedene Materialien, Bücher, Spiele, online Toolboxen usw. zur Unterstützung der pädagogischen Arbeit sowie der Arbeit mit den Eltern präsentiert. Am Ende des dritten Wochenendes wurde die Präsentation für Auftraggeber, Führungskräfte und KollegInnen erarbeitet.  

Der sprachgruppen- und einrichtungsübergreifende Austausch wurde von allen TeilnehmerInnen sehr geschätzt. Eine Bereicherung war auch die Kombination von männlicher und weiblicher Sichtweise und Erleben ebenso wie die Kleingruppenarbeit.

Für die Zukunft wird beim pädagogischen Material darauf geachtet, dass alle verschiedenen Familienformen und Rollenverhalten und dargestellt sind. Es wird auch mehr die eigene Sprache, die unbewussten Vorurteile und das Verhalten reflektiert und den Kindern (noch) mehr Freiraum gelassen diese Themen spielerisch auszulosten. Mehr Unterstützung und Ressourcen braucht es für die Arbeit mit den Eltern in diesem Bereich.

Literatur, Tipps und Material für die Praxis findet sich u.a. hier