väter aktiv

Der Vater während der Geburt

Bericht über die Online Präsentation der 2. Episode des Films „Geburt eines Vaters“ samt anschließender Diskussion

Die Sozialgenossenschaft „väter aktiv“ begleitete Väter im Rahmen von Geburtsvorbereitungs-kursen und hat sechs regionale runde Tische zum Thema Väter rund um die Geburt veranstaltet. Im März 2021 wurde der Dok-Film „Geburt eines Vaters“ online präsentiert samt anschließender Diskussion mit Vätern und Fachpersonen. Der Dok-Film ist ein Projekt der Waadländer Hochschule für Gesundheit (Haute Ecole de Santé Vaud, HESAV) in Zusammenarbeit mit dem Dachverband Schweizer Männer- und Väterorganisationen männer.ch, unterstützt durch Gesundheitsförderung Schweiz. 

Vor der Präsentation der zweiten Episode berichtete Prof. Yvonne Meyer (HESAV), dass der Anlass für den Film wissenschaftliche Studien waren die zeigten, dass es einerseits für Väter rund um die Geburt nicht einfach ist und so manche in Stress kommen andererseits belegen sie mehr als deutlich, dass Männer, die vor, während und nach der Geburt eingebunden sind, kurz-, mittel- und langfristig zur Verbesserung der Gesundheit der gesamten Familie beitragen. Achtzehn Väter aus der Romandie (französischsprachiger Schweizer Kanton) mit verschiedenen soziokulturellen Hintergründen sowie 14 perinatale Fachpersonen erzählen in Interviews über ihre Erfahrungen vor, während und nach der Geburt im Krankenhaus, im Geburtshaus oder bei der Hausgeburt. Sie beobachtete wie die Väter mehr Selbstvertrauen bekamen, wenn sie die Möglichkeit hatten über Schwangerschaft, Geburt und die Zeit danach zu sprechen.

In der zweiten Episode “ Der Vater während der Geburt “ am 8. März ging es darum ob die Väter bei der Geburt ihres Kindes dabei sein woll(t)en, wie gut sie sich während der Geburt einbezogen fühlten, in welcher Form sich die Väter bei der Geburt beteiligten und ob sie das Gefühl hatten, dass man sich auch um sie kümmert, ob sie unmittelbar nach der Geburt Hautkontakt mit ihrem Baby hatten und was ihnen geholfen hätte, die Geburt positiver zu erleben. 

Im Anschluss berichtet Patrick Denicolo von der MIP – Männerinitiative Pustertal über die Erfahrungen rund um die Geburt seiner drei Kinder. Groß war der Unterschied zwischen der ersten Geburt im Spital und den beiden Hausgeburten. Im Spital konnte er während des Kaiserschnittes im OP nicht dabei sein, wohl aber anschließend das Kind im Brutkasten halten. Bei den Hausgeburten war er immer dabei und hat dabei unvergessliche Erlebnisse mitgenommen. 

Danach präsentierte die Silvia Rass, Hebamme im Krankenhaus Meran die Ergebnisse ihrer Bacchelorarbeit über „Väter im Kreißsaal in Südtirol – was bringt das?“. Dazu hat sie eine umfangreiche Literaturrecherche und Interviews mit Fachpersonen geführt. In den letzten 50 Jahren hat es drastische Veränderungen gegeben und aktuell sind bei über 90% der Geburten die Väter im Kreißsaal anwesend. Erste Beobachtungen zeigten, dass die Anwesenheit des Vaters als Fürsprecher der Frau und praktischer Unterstützer sich positiv auf die Stimmung der Gebärenden auswirkt, sich die Geburtsdauer verkürzt, es zu einer geringeren Schmerzempfindung kommt, die Vater-Kind und die Paarbeziehung stärkt und schlussendlich langfristig positive Auswirkungen auf die kognitive, emotionale und soziale kindliche Entwicklung hat. Wenn in der Geburtsvorbereitung Ängste nicht frühzeitig erkannt und berücksichtigt werden, können diese werden der Geburt von einem Partner auf den anderen übertragen werden. Ebenso sollten Partnerschaftskonflikte frühzeitig, z.B. im Rahmen der Frühen Hilfen bearbeitet werden, um nicht zu einem Störfaktor bzw. Belastung während der Geburt zu werden. Negative Auswirkungen haben auch Ungeduld, Aggressivität, schlechter Umgang mit den Schmerzen der Frau sowie die mangelnde Fähigkeit im Umgang mit Intimität. Positiv wirken sich Empathie, Hilfsbereitschaft, Geduld, Akzeptanz unerwarteter Änderungen aus sowie die Hilfe bei Entscheidungen und praktische Unterstützung z.B. durch Massage. Hebammen können durch eine respektvolle und empathische Einbeziehung beider werdenden Elternteile mittels ausführlicher Informationen Ängste abbauen bzw. Lösungen anbieten und durch die Delegation von Aufgaben und eine professionelle Anleitung zu einem gelingenden Teamwork von Frau, Mann und Hebamme bei der Geburt beitragen.

Aus dem italienischen Sprachraum berichtete Annina Lubbock vom Netzwerk „Giardino dei padri“ in Turin über das Projekt EU Projekt PARENT (Promotion, Awareness Raising and Engagement of men in Nurture Transformations mit Partnern aus Österreich, Portugal und Litauen sowie dem Istituto Superiore die Sanità und dem Istituto Ricerca intervento salute) welches folgende Ziele verfolgt: positive Entwicklung des Kindes; Stärkung des Wohlbefinden von Mann, Frau und Paar; die partnerschaftliche Verteilung der Fürsorgearbeit zwischen den Geschlechtern und die Vorbeugung von häuslicher Gewalt. Diese Ziele werden mittels Weiterbildung für das medizinisch-pflegerische Personal, Vätergruppen sowie Sensibilisierungsaktivitäten erreicht. Im zweiten Teil berichtete sie über die Erfahrungen von Eltern während der Geburt in Zeiten von COVID 19 im Rahmen einer Untersuchung des ItOSS – Italian Obstetric Surveillance System in Kooperation mit den Krankenhäusern in Reggio Emiglia, Monza-Brianza, Trieste, Rimini und Trento). 49% aller Frauen hatten keine Vertrauensperson während der Geburt, da in den verschiedenen Leitlinien sowie Verordnungen der Regionen Väter als Begleitpersonen bzw. Besucher „deklassiert“ wurden. Dennoch wurden von MitarbeiterInnen der Dienste verschiedene Maßnahmen gesetzt, um Väter rund um die Geburt miteinbeziehen zu können: getrennte Ambulanzen, Verlagerung von Aktivitäten (auch des Kreißsaals) in das Erdgeschoss, Zeitliche Flexibilität (schwierig im öffentlichen Sektor), Turnusse der Väter beim Rooming-in, Verstärkung der Hausbesuche, online Gesundheitsberichte / pädiatrische Besuche, Übertragung der Ultraschall Untersuchung. Einige dieser Lösungen bleiben auch nach dem Corona Lockdown gültig. (Link zur gesamten Präsentation)

In der anschließenden Diskussion weist Yvonne Meyer auf die Best – Practice Beispile im Film hin, u.a. auf Räumlichkeiten für Väter im Krankenhaus sowie Haus-zu-Haut Kontakt von Vätern mit dem Neugeborenen gleich nach der Geburt. Annina Lubbock berichtet über die Erfahrungen in den Kursen, welche sie für Ärzte und Hebammen anbieten. Der Fokus liegt auf Grund der tief verankerten Geschlechterstereotypen zumeist auf den Frauen, die Männer und ihre Gefühle sind für die ProfessionistInnen oft ein unbekannter Planet.

Auf die Frage von Michael Bockhorni nach dem Angebot von Familienzimmer in den Krankenhäusern Südtirols antwortet Mirco Rizzi, Studiengangsleiter der Geburtshilfe an der Landesberufsschule Claudiana, dass es ein solches in Sterzing gibt, das aber während der Covid-Periode nur schwer zu nutzen sei. Er betont die Möglichkeiten ambulanter und häuslicher Geburten, wenn es die gesundheitlichen und finanziellen Bedingungen erlauben. Er erklärt, dass der umgehende Kontakt des Vaters mit dem Kind sich positiv auf den Vater auswirkt und betont wie wichtig eine gute Vorbereitung und Aufklärung der Väter ist, damit sie die Frau im Kreißsaal aktiv unterstützen können.

Denis Iardino von Alltogether / La Strada in Bozen betont ebenfalls die Wichtigkeit des Austausches zwischen den zukünftigen Vätern, die Wichtigkeit, dass sie sich ausdrücken und mit sich selbst auseinandersetzen können, und die Wichtigkeit der Vorbereitung der Väter auf die Geburt. Es ist wichtig, die Väter und die Dienste für die Notwendigkeit der Einbeziehung der Väter zu sensibilisieren und er kritisiert die fast ausschließliche Fokussierung der Dienste auf die Frauen.  Annina Lubbock informiert über Gruppen zum Austausch und zur Sensibilisierung von Vätern, „Väterkreise“ (cerchio die papà), in denen Väter und „neue Väter“ Informationen austauschen, sowie über Geburtsvorbereitungs-kurse, in denen Eltern sowohl gemeinsam als auch getrennt auf die Geburt und die gemeinsame Elternschaft vorbereitet werden, da eine aktive Vaterschaft für das Wohlergehen der gesamten Familie wichtig ist. In Gruppen für Väter werden Räume geschaffen, in denen Emotionen, Gedanken und Gefühle verarbeitet werden können und die Gleichstellung der Geschlechter gefördert wird. Sie betont auch, dass es für Väter wichtig ist, einen exklusiven Raum für sich selbst zu haben, nur für Väter, um gemeinsam ihre Sichtweise zu erarbeiten und ihre Erfahrungen zu erzählen, um zukünftige Väter und neue Väter zusammenzubringen, um Emotionen und Erfahrungen zu teilen. Im Genfer Krankenhaus bieten die Mitarbeiter von MenCare einen Imbiss für Väter an, um ihnen die Möglichkeit zu geben, in einer entspannten Atmosphäre über ihre Freuden und Ängste zu sprechen.

Michael Bockhorni erwähnt, dass es in Deutschland Geburtsvorbereitungs-kurse gibt, welche durchgehend von einer Frau und einem Mann geleitetet bzw. moderiert werden. In der Schweiz, Deutschland und Lichtenstein gibt es „Vätercrashkurse“, welche in Unternehmen für „frischgebackene“ Väter angeboten werden.

Zum Abschluss präsentiert Wolfgang Hainz vom Forum Prävention das Projekt „Frühe Hilfen“. Dabei wird beginnend mit der Schwangerschaft bis hin zum 3. Geburtstag des Kindes Eltern einfach zugängliche und passgenaue Hilfe bedarfsgerecht und schnell durch die Vernetzung von Diensten im Gesundheits- und Sozialbereich angeboten.

hier die gesamte Online Aufzeichnung auf You Tube