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Internationale Konferenz zur Paritätischen Doppelresidenz 2014

Bericht ICSP Konferenz

Vom 9.-11. Juli trafen sich über 100 Teilnehmer_innen aus 21 Ländern auf 4 Kontinenten in Bonn um sich über die gesetzliche Situation, die Rechtsprechung und die Praxis von gleichwertiger Elternschaft nach Trennungen und Scheidungen auszutauschen. Das ICSP International Council on Shared Parenting vereint Wissenschaft, Familienprofessionen und Zivilgesellschaft, welche die Lücke zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und gesellschaftlich gelebter Realität schließen möchte.

 

Der Präsident des ICSP, Prof. Dr. Edward Kruk, hob hervor, dass es die Verantwortung der sozialen Institutionen ist, die Eltern zu unterstützen die Bedürfnisse der Kinder zu erfüllen und alles zu vermeiden was zur Steigerung von Konflikten führt und somit nicht dem Wohl des Kindes dient. Die Kontinuität einer liebevollen Beziehung beider Elternteile zu den Kindern muss geschützt werden vor den Konflikten zwischen den Eltern.

 

Prof. Gérard Neyrand berichtete, dass in Frankreich ab den 70er Jahren im Zuge der Feminismusdebatte um eine gleichberechtigtere Rollenverteilung in der Familie das Wechselmodells nach Trennungen ermöglichte. Seit 1992 hat das Wechselmodell (résidence alternée) per Gesetz Vorrang vor anderen Lösungsmodellen. Auch Kanada (genauso wie Australien, Schweden, Belgien und Spanien?) haben eine gesetzlich starke Verankerung einer gleichbedeutsamen Elternschaft von Vätern und Müttern nach Scheidungen.

 

Malin Bergström vom Centre of Health Equity Studies in Schweden unterstrich ebenfalls den Zusammenhang zwischen dem Grad an praktizierter Gleichberechtigung (teilzeitarbeitende Mütter und Väter, ausreichendes Kinderbetreuungsangebot) und der Anwendung des Wechselmodells. In den letzten 10 Jahren hat der Anteil des Engagements von Vätern (auch schon mit der Geburt der Kinder) zugenommen und der Anteil des Wechselmodells liegt bei 37%.

 

Prof. Dr. Hildegard Sünderhauf fasste den Forschungsstand zum Wechselmodell der letzten Jahrzehnte zusammen, welcher überwiegend positive Ergebnissen brachte. Sie betonte, dass für Kinder Stabilität durch Kontinuität von Beziehungs(zeitmuster) und nicht durch örtliche Fixierung entsteht.

 

Die Mehrheit der Familien, welche gemeinsame Elternschaft vor der Trennung praktizieren, tun dies auch nach der Trennung. Nur bei jener Minderheit die keine Einvernehmlichkeit gefunden haben, sind die Chancen gering dies mit Unterstützung der Gerichte bzw. Institutionen durchzusetzen. Somit spricht sowohl die Praxis als auch die wissenschaftlich Erkenntnis für das Wechselmodell. In der Podiumsdiskussion wurde über die Gründe für die Widerstände in der Rechtsprechung diskutiert.

 

Bei Trennungen werden emotionale und ökonomische Lebensentwürfe zerstört und müssen neu aufgebaut werden. Dabei kommt es noch immer zu Opferkonstruktionen und klischeehaften Zuschreibungen, obwohl in den meisten Ländern das Schuldprinzip abgeschafft wurde. Die in die Trennungsprozesse involvierten Personen bei Gericht, Jugendwohlfahrt etc. werden in Retterrollen gedrängt und treffen dabei Entscheidungen, welche oft auf der eigenen Lebenserfahrung (von Familie) und gesellschaftlichen Klischees bzw. Vorurteilen basieren. Da Trennungen ja meist ein Resultat von unüberbrückbaren Differenzen in Anschauungen bzw. Verhalten sind, wird eine konstruktive Lösung zwischen den Eltern ohne externe Hilfe zumeist schwierig. Ein konfliktreduzierender Weg ohne Gerichtsprozess hat nur dann bevorzugt, wenn die Chancen und Risken bei einer strittigen Lösungen zwischen den Partner gleich wahrscheinlich verteilt sind.

 

Alle Teilnehmenden an der Diskussion waren sich einig, dass es um eine Sicherstellung von gleich bedeutsamer Elternschaft und die Überwindung einer destruktiven Trennungskultur geht. Es darf nicht darum gehen wer Recht hat, sondern um eine zufriedenstellende Lösung für alle Betroffenen. Das Recht der Kinder korreliert mit den Rechten beider Eltern, welche die Verantwortung für die Erfüllung der Bedürfnisse der Kinder tragen.

 

Im Workshop 4 über die Rechtspraxis wurde von vielen Fällen (u.a. aus Israel) berichtet, in denen verschiedenste Faktoren des Kindeswohl unberücksichtigt blieben, da das ausschließlich das Wohl (Einvernehmen) der Mutter mit dem Wohl des Kindes gleich gesetzt wurde.

 

Ein weiterer Punkt war die unterschiedlich differenzierte Regelung für die Aufteilung der zeitlichen und finanziellen Pflichten zwischen den Eltern. In Spanien z.B. wird zwischen Schule, Schlaf und Aufsichtszeiten unterschieden und nur letztere werden zwischen Vater und Mutter ins Verhältnis gesetzt. In Kalifornien, Belgien und anderen Ländern gibt es Tabellen bzw. Formeln nach denen die Höhe des Unterhalts in Abhängigkeit von Einkommen und Betreuungszeit u.a. Faktoren berechnet wird. Finanzielle Mittel (inkl. Unterhalt) werden auf ein Bankkonto eingezahlt, auf das nur beide Eltern gemeinsam Zugriff haben. Mit einem sogenannten „Elternplan“, welcher in vielen Ländern (Pflicht)Bestandteil von Trennungsprozessen ist (Kanada, Holland, Spanien, in Griechenland in Diskussion). Nach den Erfahrungen von Rechtsanwalt und Mediator Dr. Simone Pillen aus Italien können damit die Themenbereiche des Konflikts eingegrenzt und die Bereiche der Übereinstimmung dargestellt werden. Er unterstützt einen Gesetzesvorschlag für einen verpflichtenden Elternplan und ein gemeinsames Kinderkonto.

 

Ein anderer Aspekt war das Problem der Zeitdauer bis eine Entscheidung (Gerichtsurteil) getroffen wird und diese auch durchgesetzt werden kann. Besonders schwierig wird dies in (den zunehmenden) grenzüberschreitenden Fällen. Die letzten beiden Referate berichteten über den Einfluss internationaler Rechtsgrundlagen sowie der aktuellen Urteile in Menschenrechtsaspekten im Zusammenhang mit gleichberechtigter Elternschaft nach Trennungen.

 

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